Humboldt-Universität zu Berlin - Prof. Dr. Dr. h.c. Martin Heger

Konzept

I.   Art und Umfang des Gesamtvorhabens

Das Projekt organisiert bilaterale Seminare zwischen der HU Berlin einerseits und der Partnerfakultät einer zentral- oder osteuropäischen Universität andererseits (1). Das Gesamtprogramm orientiert sich an den Grundsätzen eines Projektstudiums. Selbständige studentische Arbeit steht im Vordergrund (2). Die wissenschaftliche Betreuung erfolgt durch Professoren der Fakultät (3). Jedes Seminar steht unter einem übergreifenden, von beiden Partnerfakultäten gemeinsam bestimmten Thema, das rechtsvergleichend behandelt werden soll und den Studierenden die Möglichkeit gibt, durch einen wissenschaftlichen Beitrag einen in ihrem Studiengang geforderten Leistungsnachweis (Seminarschein) zu erwerben. Die Themen der einzelnen Seminargruppen sind so aufeinander abgestimmt, dass sich jedenfalls in Grundfragen und einzelnen Teilbereichen mit der Zeit eine Vergleichsbasis unterschiedlicher Rechtsordnungen herausbilden kann (4).

1.   Durchführung bilateraler Seminare

Ziel der bilateralen Seminare ist aus deutscher Sicht, das Studium um eine rechtsvergleichende, projektorientierte Dimension zu ergänzen. Die Treffen sollen Verständnis für die gesellschaftlichen und rechtlichen Veränderungen im zentral- und osteuropäischen Raum wecken, Grundkenntnisse eines anderen Rechtssystems vermitteln, dadurch zugleich die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Rechtsordnung fördern und insgesamt einen Beitrag zur Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Rechtkultur leisten.

Die Anzahl der am Projekt mitwirkenden Universitäten aus Mittel- und Osteuropa variiert. Als Austauschpartner haben sich in der jüngeren Vergangenheit beteiligt:

  • die Juristische Fakultät der Lettischen Universität (LU) Riga
  • die Juristische Fakultät der Staatlichen Iwane–Dshawachischwili–Universität (TSU) Tblisi
  • die Juristische Fakultät der Taras Schevtschenko Universität Kiev
  • die Juristische Fakultät der Russisch-Armenischen Universität Jerewan (Slavonic)
  • die Juristische Fakultät der Eötvös Lóránd Universität (ELTE) Budapest
  • die Juristische Fakultät der Karls-Universität Prag
  • die Juristische Fakultät der Universität Białystok
  • die Juristische Fakultät der Universität Tirana (Albanien)

2.   Studentisches Projektstudium

In der Durchführung orientiert sich das Programm am Gedanken des Projektstudiums. Für die Gestaltung der einzelnen Austauschseminare von der Auswahl der TeilnehmerInnen über die wissenschaftliche und organisatorische Vorbereitung bis hin zu Organisation und Rechnungslegung der Reisen und Aufenthalte sind auf deutscher Seite regelmäßig zwei studentische ProjektleiterInnen verantwortlich.
Auch an den Partnerfakultäten hat der Gedanke studentischer Projektgestaltung, vor allem auch auf Seiten der Studierenden, Anklang gefunden. Ziel ist eine spiegelbildliche Organisationsstruktur und eine intensive Zusammenarbeit bereits im Vorbereitungsstadium. Die Seminarsprache ist deutsch.

3.   Wissenschaftliche Betreuung

Das Projekt wurde von den Professoren Krauß (leitete in den 90er Jahren den Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie) und Schlink (war bis 2009 Lehrstuhlleiter im Bereich Öffentliches Recht und befindet sich derzeit im Ruhestand) initiiert und es wurden über mehr als 15 Jahre Sponsoren für dessen Finanzierung engeworben. Leider ist Prof. Krauß am 30.6.2010 verstorben. Er hat bis zuletzt an der Organisation des Austauschs und an der Erhaltung des Kontakts zur Meyer-Struckmann-Stiftung, dem Hauptsponsor, mitgewirkt. Prof. Blankenagel, stellte die Verbindung zur Linguistischen Universität Moskau (MGLU) her, wobei diese Kooperationsbeziehung leider Ende der 90er Jahre auslief. Prof. Dr. Bernd Heinrich hat das Projekt bis ins Jahr 2015 betreut. Der Leiter des Projekts ist derzeit Prof. Dr. Martin Heger, Inhaber eines Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht, Europäisches Strafrecht und Neuere Rechtsgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Das Austauschprogramm ist bei den Studierenden sehr beliebt und es beteiligen sich die verschiedensten Professuren, vornehmlich des Straf- und Öffentlichen Rechts, an dessen inhaltlicher Gestaltung.

4.   Thematische und methodische Eingrenzung der Seminare

Jedes Seminar behandelt ein übergreifendes Thema, vorwiegend - dem Forschungsbereich der beteiligten ProfessorInnen entsprechend - mit Bezügen zum Öffentlichen Recht, zum Strafrecht und – neuerdings – zum Bürgerlichen Recht, Wirtschaftsrecht und Prozessrecht. Das Thema soll von allgemeiner Bedeutung für die betroffenen Länder sein und ihre unterschiedlichen Rechtstraditionen berücksichtigen. Der europäische Einigungsprozess soll anhand konkreter, praxisorientierter Fragestellungen kritisch reflektiert werden. Probleme des europäischen und nationalen Verfassungsrechts, der Migration, der Minderheitenpolitik und der inneren Sicherheit bieten sich an. Die Themen der einzelnen Seminargruppen sind so aufeinander abzustimmen, dass sich zumindest in Grundfragen und einzelnen Teilbereichen mit der Zeit eine Vergleichsbasis unterschiedlicher Rechtsordnungen herausbilden kann.

II.   Das Konzept der Austauschseminare

1.   Bilaterale Zusammenarbeit

Die Zusammenarbeit mit den osteuropäischen Partnern erfolgt möglichst paritätisch. Dadurch entsteht im Idealfall eine spiegelbildliche Organisation auf Seiten der Partnerfakultät. Dem bilateralen Charakter entspricht eine Aufteilung des Seminars in einen deutschen und einen ausländischen Teil. Beide Teilseminare von je einer Woche folgen unmittelbar hintereinander und werden durch eine gemeinsame Reise verbunden. Die Teilnehmer (etwa 20) stammen zu gleichen Teilen aus beiden Ländern und werden vor Ort von dem studentischen Organisationsteam ausgewählt.

2.   Studentische Verantwortung und fachliche Betreuung

Sowohl die inhaltliche als auch die organisatorische Verantwortung liegt bei einem studentischen Team; in die inhaltliche Vorbereitung werden ein oder zwei von den studentischen Organisatoren ausgewählte Tutoren einbezogen. Die wissenschaftliche Leitung der 14-tägigen Seminare liegt bei diesen Tutoren, die ihrerseits von den verantwortlichen Professoren beraten werden.

3.   Arbeit in Kleingruppen

Die wissenschaftliche Arbeit erfolgt in paritätisch besetzten Arbeitsgruppen (Workshops), die einzelne Aspekte des gewählten Themenbereichs auf der Grundlage der von den Studierenden erarbeiteten Seminarreferate diskutieren. Sie werden bereits in der Vorbereitungsphase gebildet und bleiben in ihrer Zusammensetzung bis zum Projektende bestehen. Ihnen wird jeweils ein Tutor als Workshopleiter zur Seite gestellt; er ist entweder Jurist mit abgeschlossenem Universitätsstudium oder (vor allem in den ausländischen Fakultäten) fortgeschrittener, wissenschaftlich engagierter Student.

4.   Intensive Vorbereitung

Das bilaterale Seminar stellt den Höhepunkt des Projekts dar. Mindestens drei Monate zuvor beginnt eine intensive Vorbereitungsphase, in welcher die Arbeitsgruppe ihre Themen in gemeinsamen Treffen oder in persönlichen Rücksprachen mit ihrem Tutor erarbeitet, Kontakt zur korrespondierenden Arbeitsgruppe im Partnerland aufnimmt und mit ihr den Ablauf des Seminars plant. Dabei wird als Arbeitsgrundlage für alle Teilnehmer in jedem Partnerland eine Materialsammlung (Reader) erstellt.

5.   Sozialer Rahmen

Entscheidend für das Gelingen der bilateralen Seminare ist ein intensiver sozialer Kontakt zwischen den Beteiligten. Er wird durch gemeinsame Reise, gemeinsame Unterbringung, Verpflegung und kulturelle Aktivitäten verwirklicht. Insbesondere die gemeinsame Unterbringung erscheint wünschenswert. Zum einen beschleunigt sie Organisationsabläufe und erleichtert die Zusammenarbeit, zum anderen baut sie Kommunikationsschwierigkeiten ab und fördert persönliche Kontakte. Insgesamt führt der gemeinschaftsorientierte Ansatz zu einem vertieften Verständnis eines fremden Gastgeberlandes und gibt wichtige Impulse für die Erfassung sozialer und rechtlicher Probleme.

6.   Journal

Nach Abschluss des 14-tägige Austauschseminars erstellt jede Gruppe ein internationales Journal. In ihm wird mit wissenschaftlichen Abstracts, Zusammenfassung der Exkursionen, Vorträge und Diskussionen und Berichten über das kulturelle Rahmenprogramm und einzelne persönliche Erlebnisse der Ablauf des Seminars dokumentiert.

III.   Finanzierung

Das Projekt ist seit 1997 als „Netzwerk“ ganz überwiegend mit eingeworbenen Drittmitteln (insgesamt mehr als Euro 500.000,00) finanziert worden. Unter den zahlreichen Geldgebern sind auf deutscher Seite – neben der Volkswagenstiftung mit dem Jurextra-Projekt – vor allem die Robert-Bosch-Stiftung (bis 2002) und die Meyer-Struckmann-Stiftung (2003 bid heute) sowie der DAAD (1999, 2015 bis heute) zu nennen (siehe auch unter Förderer). Die Juristische Fakultät der HU hat einige Jahre die Reisekosten für die Tutoren übernommen. Auch die Universität und die IRZ haben sich schon mit Zuschüsse beteiligt. Ein beträchtlicher Anteil stammt aus studentischen Eigenmitteln. Die Partneruniversitäten sind sehr bemüht, den Austausch fortzusetzen und nach gegebenen Möglichkeiten finanziell zu unterstützen.